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Berlin ist pleite ...
Lieber Erik,
Ja, ich kenne diesen schönen Song, und ohne die Schadenfreude der
Pigoretten würde mir etwas fehlen in dieser sauren Zeit.
Ich bewundere aber auch die Helden vom Deutschen Städtetag. Jetzt
haben sie sich für scharfe Proteste ausgesprochen. Wollen sie gegen
die eigenen Leistungen demonstrieren? Nein, behüte, kein Gedanke!
Sie zeigen mit dem Finger auf andere Leute. An Lösungen besteht
kein Interesse. Vermutlich wollen sie Stimmung machen für weitere
Grausamkeiten. Die richtigen Fragen werden tunlichst vermieden, nur
für scharfen Protest hat man sich jetzt ausgesprochen. Protest, hoho!
Da es in Dein Fach fällt und weil gezielte Indiskretionen die normalste
Sache der Welt sind, kann Du ja mal anfragen, welche Innenstadtketten
ihre Steueradresse auf Offshore-Oasen
haben. Da es auch in mein Fach fällt, stelle ich meine Homepage zur
Verfügung, um die Liste zu veröffentlichen. Eine Mordsgaudi wäre das!
Ich bin übrigens der Meinung, daß Stadtväter die verdammte Pflicht
haben, uns diesbezüglich reinen Wein einzuschenken!
Zusammen mit solchen Weltfirmen, die mit anderen Steuervermeidungs-Strategien
glänzen, käme guter Stoff für Schadenfreude und schöne Songs
zusammen. Da schlummert reichlich Geld für das Stadtsäckel.
In Frankfurt zum Beispiel kenne ich nur eine Firma, die regelmäßig
Gewerbesteuer abgeführt hat, meine eigene nämlich. Es hat aber nicht
gereicht, obwohl es viel zu viel war. Der Hebesatz lag damals bei
550 % ! Jedenfalls kamen die Lenker der meisten Weltfirmen zu der
Einschätzung, daß es nicht angemessen ist.
Das kann es nicht sein, sagte mir gestern der Chef eines Konzerns
mit 20 Milliarden Dollar Jahresumsatz, wir
sind nicht angetreten, um die Stadt Frankfurt zu sanieren oder den
Deutschen Städtetag zu sponsern.
Die Helden vom Städtetag zitieren unterdessen Heinrich Heine, wenn
man sie drauf anspricht: Ihre Namen auszusprechen
/ Dürfen wir uns nicht erfrechen...
Es gibt aber einen Faktor, den die Helden noch mehr fürchten! Helmut
Creutz hat in einem Beitrag zur Humanwirtschaft,
Ausgabe 5/2003, darauf hingewiesen, konkret bezogen zwar auf
die Krankenkassen, was aber das Gleiche ist von der Pleite her!
Dort vergleicht er über einen langen Zeitraum die Parameter von drei
Größen, über welche zuverlässige Statistiken vorliegen, die Ölimporte
nämlich, die Krankenkassenbeiträge und die Schuldzinslasten, und setzt
sie ins Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Das Ergebnis ist frappierend.
Da es in Dein Fach fällt, darf ich mal zitieren.
"Die gesamten Krankenversicherungskosten stiegen in den letzten 3
Jahrzehnten von 12 auf 130 Milliarden DM an und damit auf knapp das
Elffache. Da das Sozialprodukt in diesen Jahren auf das siebenfache
anstieg, kam es tatsächlich zu einem relativen Überanstieg der Krankenversicherungskosten.
(...)
(...) Gemessen an der jeweiligen Wirtschaftsleistung,
also in Prozenten des BIP, nahmen diese Aufwendungen fast ausschließlich
in der ersten Hälfte der 70er Jahre zu, um sich danach ... zu stabilisieren
bei 6 % vom BIP. Das heißt, die Kostenentwicklung über die Wirtschaftsleistung
hinaus ist eine Sünde aus einer Zeit, die fast 30 Jahre zurückliegt
und damals offenbar zu verkraften war. Warum ist das heute nicht mehr
der Fall? Warum wird heute der Aufwand von 6 % unserer Wirtschaftsleistung,
den wir über fast 25 Jahre hin zahlen konnten, auf einmal als zu hoch
empfunden?
Eine Antwort auf diese Fragen findet man durch einen Blick auf die
Tabelle. Die Krankenversicherungskosten haben in den Jahren 70 bis
81 zugenommen. In etwa gleichem Umfang stiegen die Kosten der Mineralölimporte,
die in den Schlagzeilen damals vorherrschten. Aber in einem noch viel
deutlicheren Maße stiegen die Schuldzinslasten! Das geht aus den von
der Bundesbank ausgewiesenen Bankzinserträgen deutlich hervor. Sie
stiegen in jenen 30 Jahren von 25 auf 370 Milliarden €, also auf rund
das 15-fache.
Während sich die Importpreise für Erdöl, gemessen am BIP, im Jahr
2000 fast auf der Höhe von 1970 bewegten, und die Krankenversicherungskosten
von 3,2 auf 6 % BIP zulegten, sind die Schuldzinslasten von 7,2 auf
18,3 % BIP gestiegen. Mit 370 Milliarden € lagen diese Kosten im Jahr
2000 bereits bei 66% der Nettolöhne und -gehälter und bei 130% des
Bundeshaushaltes.
Allein im Jahr 2000, als die Krankenversicherungskosten um 5 Milliarden
€ stiegen, legten die Zinszahlungen an die Banken um 47 Milliarden
€ zu, fast zehnmal mehr als die Krankenversicherungskosten, mit denen
wir uns heute so sehr beschäftigen! Anders ausgedrückt: Hätte man
diesen Überanstieg nur etwas abgebremst, brauchten nicht nur die Kalamitäten
in der Krankenversicherung kein Thema sein, sondern ebensowenig in
den Rentenkassen! Und wären diese Zinslasten, wie die Krankenversicherung,
im Jahr 2000 nur um 5 Milliarden angestiegen, wäre unsere Volkswirtschaft
um 42 Milliarden € entlastet worden. Diese Entlastung hätte für die
Geldgeber nur einen Zinsverzicht von 7 Wochen bedeutet! Mit diesem
Zinsverzicht von 42 Milliarden hätten wir aber nicht nur den Anstieg
der Krankenversicherungskosten ausgleichen, sondern auch noch über
eine Million Arbeitskräfte einstellen und bezahlen können!
Statt einer solchen sinnvollen Verwendung
ist dieser Zinsbetrag als Überschuß jedoch erneut in jene Kassen geflossen,
die schon lange keinen nennenswerten Bedarf mehr haben und ihn deshalb
auf ihre Vermögenspolster aufsatteln. Daraus ist das Geld aber nur
über eine erneute Ausweitung der Kredite in den Kreislauf zurückzuholen,
womit sich die Kostenspirale steigender Zinslasten erneut erhöht -
zum Nachteil der normalen Haushalte und zum Nachteil der öffentlichen
Kassen.
Wir brauchen eine vernünftige Reform
des Gesundheitswesens, aber viel dringender brauchen wir eine Reform
des Geldsystems, wenn wir aus der Misere herauskommen wollen."
Soweit Helmuth Creutz. Ich empfehle Dir, da Du vom Fach bist, die
Probenummer zu bestellen. Und grüße mir die Helden vom Städtetag,
die sich für Proteste ausgesprochen haben!
Ich spotte mit den Pigoretten und schicke, Dein Einverständnis vorausgesetzt,
eine Kopie dieser Mail an deren Adresse, damit der Stoff für schöne
Songs so schnell nicht ausgeht.
Mein großer Dank gilt Helmut Creutz für diese Zahlen. Sein Buch Das
Geldsyndrom ist an jeder Ecke zu haben! Was hindert den Deutschen
Städtetag, es als Pflichtlektüre zu betrachten? Das wäre mir
eine Demonstration!
Auch dort müßte man, nach all der Zeit, doch einmal realisieren, was
Geld eigentlich ist!
ch grüße Google sehr herzlich! |
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